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Kommunaler Lärm

Einsatz mit Martinshörnern am 17.06.2023 in Freiburg

Quellen:

https://firefox05c.wordpress.com/2012/02/06/lautstarkebegrenzung-fur-martinhorner/

https://de.wikipedia.org/wiki/Folgetonhorn

https://www.gesetze-im-internet.de/stvo_2013/__38.html

https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/suedbaden/tausende-in-freiburg-bei-nachttanzdemo-100.html

https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-debatte-ums-freiburger-nachtleben-bis-zu-3-500-teilnehmer-bei-unangemeldeter-demo-100.html

https://rdl.de/beitrag/trotz-verbot-ber-3500-bei-tanzdemo-f-r-n-chtliche-freir-ume-freiburg

https://www.sueddeutsche.de/politik/demonstrationen-freiburg-im-breisgau-bis-zu-3500-teilnehmer-bei-unangemeldeter-demo-in-freiburg-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230618-99-96108

https://lzo.media/freiburg-bleibt-kaempferisch-verbotene-nachttanzdemo-findet-dennoch-statt/

https://www.buergerbeteiligung.sachsen.de/portal/download/datei/1193969_0/B88-Schallimmissionsprognose.pdf

dort:

Bei einer Abwägung der Schallimmissions-Situation ist zu berücksichtigen, dass der Einsatzfall auch in der Nacht von hoher Bedeutung für die Allgemeinheit ist und die belästigende Wirkung für eine begrenzte Zahl unmittelbarer Anwohner hingenommen werden muss („sozialadäquates Geräusch“).
Zur Information wird nachfolgend eine Pegelabschätzung angegeben.
Für den Betrieb des Signalhorns („Martinshorn“) wird ein Schallleistungspegel abgeschätzt.
Als Mindestanforderung nach DIN 14610 gilt ein Schalldruckpegel in 3,5 m Abstand von 110 dB(A); wegen der herstellerseitig aus Sicherheitsgründen beabsichtigten Überschreitung dieses Wertes ist ein Schallleistungspegel von LW = ca. 135 dB(A) zu erwarten.
Die nächstgelegene schutzbedürftige Wohnbebauung (Schildenstraße 20 und 22) befindet sich in ca. 55 m Entfernung zur Ausfahrt-Einmündung in die öffentliche Straße.
Mit der Abstands-Umrechnung für eine punktförmige Schallquelle ergibt sich an diesen Immissionsorten unter der Annahme, dass das Horn mit Einbiegen des Fahrzeugs in die öffentliche Straße eingeschaltet wird, ein kurzzeitiger Maximalpegel von Lmax = ca. 92 dB(A).
Wie oben erläutert, kann für das Signalhorn jedoch keine Bewertung nach TA Lärm vorgenommen werden.

Laut DIN 14610 muss bei Signalhörnern in 3,5 m Abstand der Schalldruckpegel mindestens 110 dB(A) betragen.


Martins Horn

Schnell und sicher am Einsatzort ankommen, das ist für die Polizei essenziell. Gerade nachts warnen und wecken die Sondersignale jedoch gleichermaßen.

Bis zum Jahr 1880 reicht die Geschichte der Deutschen Signal-Instrumentenfabrik Max B. Martin zurück, die heute in Philippsburg fertigt. Das Unternehmen stammt ursprünglich aus Markneukirchen im vogtländischen Musikwinkel, es ist somit in den alten und neuen Bundesländern verwurzelt. Unter anderem fertigt Martin das Martin-Horn in allen Varianten, meist als Martinshorn bezeichnet. Lieferant Toplicht für traditionelle Schiffsausrüstung, beeindruckende Nebelhörner zählen dort ebenfalls zum Sortiment, fasste den Firmenhintergrund einmal so zusammen: "Mehr Traditionsunternehmen geht nicht."

Aber Martinshorn, das ist eine Bezeichnung für Leute, denen es offenbar an Fachkenntnis mangelt. Heute werden sie mit leicht behördlichem Dünkel „Folgetonhörner“ oder „Sondersignalanlagen“ genannt und deren Signal ist durch die DIN 14610 präzisiert. Die Tonhöhe des „Tatütata“ muss der Norm zufolge zwischen 360 Hertz und 630 Hertz liegen, Das „Ta“ und das „Tü“ müssen eine reine Quarte bilden, also fünf weiße oder schwarze Tasten auf dem Klavier weiter nach rechts. Oder, die höhere Hertzzahl durch vier und die tiefere durch drei, beide Ergebnisse müssen auf den gleichen Quotienten kommen, so stimmt die Harmonie. Wer nachts davon geweckt wird, aber selbst keinen Notfall hat, findet das gewiss nicht harmonisch, aber dazu später.

Darüber hinaus sind zwei verschieden laute Signale erlaubt. In diesem Punkt gibt sich die behördliche Sprache ganz populär, es gibt ein „Stadtsignal“, lauter, und eines fürs „Land“, dort vermutet die Norm weniger Umgebungsgeräusch, folglich erreiche das Sondersignal die Ohren einfacher. Üblich ist ein Stadtsignal zwischen 410 und 547 Hertz, das leisere für das sogenannte „Land“ ist meist tiefer, zwischen 362 und 482 Hertz. Die Mindestanforderung, selbst für das leise Sondersignal liegt aber bei 110 Dezibel Schalldruck und zwar gemessen in Hornrichtung und mit dreieinhalb Metern Abstand. Klar, mit zunehmendem Abstand ist das immer weniger zu hören, die Faustregel lautet, bei jeder Verdopplung der Entfernung reduziert sich der Schallpegel um 6 Dezibel.

Noch ein kleiner Exkurs in die Wahrnehmbarkeit: Höhere Töne ab 2000 bis 5000 Hertz würden vom Ohr zwar besser wahrgenommen, besitzen jedoch deutlich weniger Tragweite. Die in der DIN aufgerufenen Hertzzahlen bilden also einen Kompromiss. Noch tiefere Werte wären, so lange sie über der Hörschwelle von etwa 50 Hertz liegen, für die Reichweite zwar besser, aber die für benötigte Trichter-Größe tendiert bei traditioneller Bauart dann Richtung Alphorn.

Es geht gleich zum entscheidenden Punkt, versprochen. Bis dahin ein Technikexkurs, denn wen nun in der Nacht ein solches Sondersignal aus dem Traum pustet, kann sich noch Gedanken machen, ob der ungewollte Weckton durch eine Kompressoranlage erzeugt wurde, das würde am meisten dem traditionellen Martin-Horn entsprechen. Deren Aussehen entspricht der Miniversion eines herkömmlichen Schiffs-Nebelhorns. Moderner sind dagegen Tonfolgerelais, die zwei gewöhnliche Autohupen in der gewünschten Tonhöhe abwechselnd ansteuern. Aktuell kommen außerdem elektronische Tonwellengeneratoren [korrekter Begriff?] zum Einsatz, kleine Synthesizer, darauf abgestimmte Lautsprecher übernehmen die eigentliche Tonerzeugung. Deren eher reine Tonwellen gelten übrigens als nerviger. Aus der Not-Perspektive betrachtet, können sie allerdings auch besser gehört werden.

Ein paar mal sind nun nachts die reinen Quarten am zuvor schlafenden Ohr vorbeigesegelt, die Nachruhe ist dahin, was ist da nur los auf den Straßen? Nehmen wir einmal als Beispiel eine im Hinblick Martinshorn-Einsatz laute Nacht im Juni in Freiburg. Bezeichnenderweise ist Lärm der Auslöser für die nun weitere Beschäftigung mit dem Getöse. Das klingt auf den ersten Blick wie sich anschreiende Ehepaare, also nach erfolgloser Kommunikation, und, auch das passt zu diesem Vergleich, es gibt eine Vorgeschichte.

3500 Demonstrierende haben sich im Freiburger Stadtteil Stühlinger an einem Samstag abend kurz nach neun Uhr zu einer „Nachttanzdemo“ versammelt. Das Vorspiel zu diesem Tumult umfasste bereits mehrere Takte. Anwohnerinnen und Anwohner hatten sich über Wochen beschwert, gerade neben Parks ist es nachts auffällig laut. Die Stadtverwaltung kündigte an, Lautsprecher und Musikinstrumente auf den Grünflächen ab 23 Uhr zu verbieten. Am Freitag griff die Polizei bei einer nächtlichen HipHop-Jam ein und beschlagnahmte die dazugehörige, je nach Sichtweise, Krachmaschine oder Musikanlage.

Noch in der selben Nacht müssen sich die Feierlustigen organisierten haben, digtal und geräuschlos, vor allem flink. Sie verabredeten sich für den nachfolgenden Abend auf den Stühlinger Kirchplatz, das ist jener Samstag, um den es akustisch gleich geht, einige tausend folgen also dem Aufruf. Zuvor hatten Stadtverwaltung und Polizei von jenen Plänen Wind bekommen und es folgte eine Allgemeinverfügung, die die geplante Demonstration, sollte sie je offiziell beantragt werden, untersagte.

Die Demonstrierenden, die also nicht demonstrieren dürfen, setzen sich jedoch trotz Verbot in Bewegung und mit ihnen die zahlreichen tragbaren Bassboxen. Die Vorliebe für leise Klassikpassage ist bei der Musikauswahl überschaubar, es wummert. Die Polizei findet nun innerhalb der Nachttanz-Leute offenbar Ansprechpartner, ein Kompromiss entsteht auf die Schnelle, dass es auch ohne Antrag und Genehmigung eine kleine Demo geben kann.

Ob die mit heißer Nadel gestrickte „Aufzugsstrecke“, so heißt der Weg der Demo im Polizeijargon, im Nachhinein betrachtet, so gut ausgehandelt war, das mag strittig erscheinen. Der Demonstrationszug führt geradewegs in den Freiburger Stadtteil Vauban. Die Habitate von Menschen, die solche Demos organisieren und denen das Bassboxen-Verbot gewaltig auf den Keks geht, sie werden dort am ehesten vermutet.

Unterdessen gibt es einzelne Demonstrierende robusterer Bauart, die strikt gegen Repressalien in diesem speziellen Fall und überhaupt skandieren, während es im überwiegenden Teil hinten eher ausgelassen und vor allem musikalisch wippt, der Tross tanzte sich einen ab. Es ist so laut und lustig, wie sich das die Demonstrierenden wohl auch in den Parks wünschen.

Am zuvor abgesprochenen Endpunkt des „Aufzugs“ wollen sich die Demonstrierenden aber nicht trennen. Der Polizeisprecher fasste später zusammen: „Nachdem der Demonstrationszug den Alfred-Döblin-Platz und damit das Ziel der Aufzugsstrecke erreichte, wurde die Versammlung um 0:45 Uhr durch die Polizei beendet. Da sich der Alfred-Döblin-Platz im Vauban befindet und sich der Demonstrationszug aus der Innenstadt in Richtung Vauban bewegt, sind Einsatzfahrzeuge der Polizei im genannten Raum unterwegs.“ Mit Sicherheit mit mehr Schalldruck als die Beats der vorangehenden Musik.

Es müssen sehr viele Einsatzfahrzeuge unterwegs sein, die Achse von der Innenstadt bis zum Stadtteil Vauban scheint blau erleuchtet, aber „über Kräftelage und Einsatztaktik können wir keine Auskunft erteilen“. Nun, die Nachtruhe ist dahin, so gibt es zwischen mehreren Sirenensalven die Gelegenheit, im digitalen Netz zu forschen, ob nachts nicht auch das Blaulicht alleine genügt hätte, auf den Straßen war außer den Einsatzfahrzeugen kein Verkehr mehr wahrzunehmen. Die kleine Recherche ergibt, die Straßenverkehrsordnung regelt solche Sondersignale. Die besagt, Blaues Blinklicht darf entweder nur in „geschlossenen Verbänden“ verwendet werden, ansonsten nur, wenn das Fahrzeug steht, dann zur Absicherung. Demzufolge müssten Krankenwagen, Polizei und Feuerwehr bei Einsatzfahrten ständig ihr Signalhorn zum Blaulicht tönen lassen. Machen sie nicht, aber das zählt dann als Nettigkeit des jeweiligen Fahrers und geht auf dessen Kappe, sollte doch ein Zusammenstoß passieren.

Ach ja, Menschen kamen keine zu Schaden, die zugehörige Einsatzleitstelle meldete keine Krankenwagen-Fahrten in jener Nacht. War das große Blaulichtaufgebot, also genauer, das Blaulichtaufgebot mit Sirene, insgesamt gerechtfertigt? Die Straßenverkehrsordnung grenzt die Fälle ein. Klar, Menschenleben zählen dazu, wenn es um bedeutende Sachwerte geht oder um flüchtige Personen zu verfolgen. Genau das Gegenteil war der Fall, die Personen wollten ja nicht fliegen, sondern dort bleiben. Und außerdem, steht dort, um Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, ja, das muss es gewesen sein. Grummelnd geht es wieder zu Bett, aber der Schlaf mag nicht kommen. Wie Lautstärke ausgerechnet mit Lautstärke ausgetrieben werden kann, das knirscht doch arg. Die Signale müssten doch leiser sein können, nein, die Autos werden ja akustisch immer besser isoliert, die Signalhörner müssten also eher lauter werden. Uff, das Thema wird nun wirklich komplex. Darüber vielleicht erst einmal schlafen.

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