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Livemusik Gaststätte 1
Auflagen im Mischgebiet, Pegelbegrenzung, Gehörschutz
Livemusik Gaststätte
Schadensersatzpflicht des Verpächters wegen Mangels einer Pachtsache -- Zulässigkeit von Schallpegelbegrenzungen bei Live-Musikveranstaltungen -- Darbietung von Live-Musikveranstaltungen in einem Mischgebiet -- Pflichten des Veranstalters von Musikdarbietungen
Gericht: OLG Koblenz
Datum: 21.03.2002
Aktenzeichen: 5 U 705/01
Rechtsgrundlage(n):
§ 581 Abs. 2 BGB
§ 538 BGB
§ 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO
§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO
Entscheidungsform:
Urteil
Vorinstanz(en):
LG Trier - 21.03.2001 - AZ: 4 O 497/99
Fundstelle(n): GuT 2002, 75-77
NJW-RR 2002, 1522-1523 (Volltext mit amtl. LS)
NZM 2002, 918-919
Redaktioneller Leitsatz:
1. Wird bei Eröffnung einer Gaststätte durch die zuständige Verwaltungsbehörde für Live-Musikveranstaltungen die Auflage erteilt,den Schallpegel zu begrenzen, dann kann darin kein anfänglicher oder vom Vermieter zu vertretender späterer Mangel der Mietsache gesehen werden.
2. Einem Veranstalter von Musikdarbietungen obliegt die Sorgfaltspflicht seine Besucher vor übermäßige Lautstärke zu schützen. Diese Sorgfaltspflichten hat er eigenverantwortlich wahrzunehmen, auch wenn sie z.B. durch Unfallverhütungsvorschriften oder DIN-Normen konkretisiert werden.
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Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kaltenbach sowie
die Richter am Oberlandesgericht Weller und Stein
auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 21. März 2001 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 10.000 Euro abwenden, sofern nicht der Beklagte eine entsprechende Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten dürfen auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die klagende Pächterin begehrt von dem beklagten Verpächter 150.000 DM Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines im Dezember 1997 geschlossenen Pachtvertrages über eine Gaststätte innerhalb der Ortslage von G.. Es handelt sich um ein Mischgebiet im Sinne von § 6 der BauNVO.
Im schriftlichen Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, das Pachtobjekt
"gemäß Basiskonzeption als gemütlich thematisierte Werkstattkneipe zu führen".
Das Lokal wurde am 13. Februar 1998 eröffnet. Die Pächterin führte in der Gaststätte Live-Musikveranstaltungen durch. Dazu erteilte die Baubehörde Mitte 1998 folgende Auflage:
"In der Halle bzw. dem Saal dürfen Musikdarbietungen oder Musikveranstaltungen nur durchgeführt werden, wenn ein mittlerer Halleninnenpegel von 90 dB (A) (gemessen auf der Bühne im Nahbereich der Hallensüdwand) nicht überschritten wird".
Wegen übermäßiger Lautstärke der Musik war es nämlich alsbald nach Pachtbeginn zu Nachbarbeschwerden gekommen.
Die Klägerin sieht sich wegen der behördlichen Auflage außerstande, in dem Pachtobjekt wie gewünscht weiterhin Live-Musikveranstaltungen mit größerer Lautstärke durchzuführen. Sie meint, bei der von ihr eingebrachten Musik- und Beleuchtungsanlage handele es sich daher um eine Fehlinvestition. Ihr Gewinnausfall aufgrund der nicht durchführbaren Live-Musikveranstaltungen betrage für die Zeit vom 1. Februar 1998 bis zum 31. Mai 1999 80.000 DM. Diesen Betrag müsse der Beklagte ebenso erstatten wie den Wertverlust der Musikanlage von 70.000 DM (vgl. Bl. 66 GA).
Der Beklagte hat erwidert, einem Erfolg der Klage stehe bereits entgegen, dass die Klägerin ihren vermeintlichen Schadensersatzanspruch in einem Vorprozess zur Aufrechnung gestellt habe und damit (rechtskräftig) gescheitert sei. Die von der Klägerin durchgeführten und geplanten Disco-Veranstaltungen der "Hipp-Hopp und Techno-Szene" entsprächen nicht dem vertraglich vereinbarten Gaststättenkonzept. Dieses Konzept sei unter Beachtung der Lärmschutzauflage durchaus zu realisieren.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Teilbetrag von 50.000 DM sei der Klägerin in einem Vorprozess rechtskräftig aberkannt worden, nachdem sie gegenüber einer (erheblich niedrigeren) Pachtzinsforderung des Beklagten aufgerechnet und das Gericht die Aufrechnung für nicht begründet erachtet habe. Das Betriebskonzept der Klägerin mit überlauten Musikveranstaltungen widerspreche dem schriftlichen Pachtvertrag. Schadensersatzansprüche könnten daher aus dem Scheitern dieses Konzepts nicht hergeleitet werden.
Mit ihrer Berufung wiederholt die Klägerin den erstinstanzlichen Antrag. Im Vorprozess sei dem Beklagten lediglich ein Zahlungsanspruch von 5.025,68 DM zuerkannt worden. Weitergreifende Rechtskraftwirkungen könne auch die gescheiterte Aufrechnung daher nicht entfalten. Im übrigen sei vorvertraglich vereinbart worden, monatlich ein bis zwei Live-Musikveranstaltungen durchzuführen. Die hierzu unterbreiteten Beweisangebote habe das Landgericht nicht übergehen dürfen. Live-Musikveranstaltungen seien jedoch nicht mehr möglich gewesen, nachdem die Baubehörde den zulässigen Schallpegel auf 90 dB begrenzt habe. Musikveranstaltungen für die Zielgruppe der 18- bis 45-jährigen benötigten einen wesentlich höheren Schallpegel. Dementsprechend sei auch die technische Ausstattung der Gaststätte erfolgt. Da die vertraglich vereinbarten Musikveranstaltungen nicht möglich seien, schulde der Beklagte Schadensersatz wegen Nichterfüllung.
Der Beklagte erwidert, die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess sei in der Tat durch den Betrag der dortigen Klageforderung begrenzt. Im übrigen habe das Landgericht jedoch richtig entschieden. Das Disco-Konzept der Klägerin mit Lärmpegeln oberhalb von 90 dB entspreche nicht dem Vertrag. Musik dieser Lautstärke sei auch für 18- bis 45-jährige Gäste gesundheitsschädlich. Live-Musikveranstaltungen seien auch unter Beachtung der behördlichen Auflage durchführbar. Letztlich sei auch der Klagevortrag zum Schadensumfang nicht schlüssig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Akten des Verwaltungsrechtsstreits 5 K 541/99 VG Trier waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Außerdem hat der Senat den Parteien sein Urteil 5 U 1324/00 mitgeteilt. Auch hierauf verweist der Senat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch wegen eines Mangels der Pachtsache steht der Klägerin nicht zu.
Zutreffend rügt die Berufung allerdings, dass das Landgericht sich wegen eines Teilbetrages von 50.000 DM schon durch das rechtskräftige Urteil im Vorprozess gehindert gesehen hat, der Klage zu entsprechen. In jenem Verfahren ist dem hier beklagten Verpächter ein Pachtzins von 5.025,68 DM zuerkannt worden. Indem das Landgericht die Hilfsaufrechnung der Klägerin des vorliegenden Verfahrens hat scheitern lassen, ist die behauptete Aufrechnungsforderung lediglich in diesem Umfang (5.025,68 DM) aberkannt worden. Die dem Landgericht anscheinend vorschwebende weitergreifende Rechtskraftwirkung "dem Grunde nach" ist dem Gesetz fremd
(vgl. BGHZ 57, 301-304 = NJW 1972, 257-258 = JZ 1972, 287-287 = MDR 1972, 234-254 = BB 1972, 296-296).
Das hat zur Folge, dass der erneuten prozessualen Geltendmachung der über 5.025,68 DM hinausgehenden Aufrechnungsforderung nicht der Einwand der Rechtskraft entgegensteht.
Das Landgericht hat die Klage jedoch deshalb zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin ein Schadenersatzanspruch wegen eines Mangels der Pachtsache nicht zusteht.
Nach § § 581 Abs. 2, 538 BGB (alter Fassung) ist der Verpächter schadensersatzpflichtig, wenn ein Mangel der Pachtsache bei dem Abschluss des Vertrages vorhanden ist oder später infolge eines Umstandes entsteht, den der Verpächter zu vertreten hat.
Diese Voraussetzungen sind selbst dann nicht erfüllt, wenn man den gesamten Berufungsvortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt:
Unerheblich ist, dass die verpachtete Gaststätte in einem Mischgebiet liegt. Ist im konkreten Fall - nach Aufmachung und Führung des Betriebs, ferner unter Berücksichtigung der Lage des Betriebsgrundstücks und seiner Umgebung - eine Gaststätte mit Live-Musikveranstaltungen als sonstiger Gewerbebetrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO oder als Vergnügungsstätte im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO anzusehen, so hindert die bloße Lage in einem Mischgebiet nicht den Betrieb und seine Zulassung durch die zuständige Behörde (vgl. BGH - VIII ZR 287/75 - in BGHZ 68, 294-299 = NJW 1977, 1285-1287 = BB 1977, 1174-1175 = MDR 1977, 743 = DB 1977, 1648 = JuS 1977, 763 = ZMR 1978, 25-27 = JZ 1978, 437-438).
Dementsprechend hat die Verwaltungsbehörde hier auch nicht den Betrieb der Gaststätte untersagt, sondern lediglich den bei Live-Musikveranstaltungen zulässigen Schallpegel begrenzt. Darin kann ein anfänglicher oder ein vom Beklagten zu vertretender späterer Mangel der Mietsache nicht gesehen werden. Denn die behördliche Auflage gibt der Klägerin nur das auf, was sie von Rechts wegen ohnehin beachten musste.
Ebenso wie ein Konzertveranstalter ist ein Gaststättenbetreiber verpflichtet, seine Gäste vor Gehörschäden durch übermäßige Lautstärke der dargebotenen Musik zu schützen (vgl. OLG Zweibrücken OLGR 2000, 530; LG Trier NJW 1993, 1474 ff.). Wie jeder, der eine Gefahrenquelle für andere eröffnet, hat auch der Veranstalter einer Musikdarbietung selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen der Zuhörer notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche (vgl. BGH vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - VersR 1987, 102, 103) oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften (vgl. BGH vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812, 813) oder technische Regeln wie DIN-Normen (vgl. BGHZ 103, 338, 342) seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren (so zuletzt BGH vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - in ZIP 2001, 931-933 = NJW 2001, 2019-2020 = MDR 2001, 808-809 = BGHReport 2001, 497-497 = VersR 2001, 1040-1042).
Dem Senat ist aus dem Verfahren 5 U 1324/00 bekannt, dass die Schädlichkeit lauter Geräusche einerseits von ihrer Intensität und andererseits von der Dauer abhängt, in der sie auftreten. So sollte ein Schall, der 120 dB (A) erreicht, innerhalb einer Zeitspanne von 8 Stunden nicht länger als 10 s einwirken, damit die Gesundheit keinen Schaden nimmt. Legt man eine Wirkungszeit von 1 Stunde zugrunde, liegt die kritische Pegelgrenze bereits bei 90 dB (A). Dem tragen auch die Unfallverhütungsvorschrift Lärm, die VDI-Normen und die europäischen Empfehlungen zum Lärmschutz Rechnung (vgl. Senat Urteil vom 13. September 2001 in NJW-RR 2001, 1604-1606 m.w.N.).
Da die Live-Musik derart lange auf die Gaststättenbesucher einwirken sollte, war die behördlich festgelegte Begrenzung des Schallpegels von der Klägerin ohnehin zu beachten, um Hörschäden der Gäste zu vermeiden. Der demgegenüber erhobene Einwand, keine Live-Musikband arbeite mit einer auf 90 dB (A) begrenzten Anlage, ist nicht stichhaltig. Denn es kommt nicht darauf an, was nach dem Vorbringen der Klägerin üblich ist. Maßgeblich ist allein, welche Schallpegelbegrenzung von Rechts wegen beachtet werden muss, um einen Gesundheitsschaden der Zuhörer zu vermeiden.
Im übrigen weiß der Senat aus dem bereits erwähnten Verfahren 5 U 1324/00, dass moderne Musikanlagen durchaus so ausgerüstet sind und eingestellt werden können, dass der auch von der Verwaltungsbehörde für erforderlich gehaltene Grenzwert nicht überschritten wird.
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die von der Berufung behaupteten mündlichen Parteiabsprachen nichts daran ändern, dass die Klägerin sich nach der "Basiskonzeption" verpflichtet hatten, in einer
"gemütlich thematisierten Werkstattkneipe"
Kommunikationsgastronomie zu betreiben.
Der Senat teilt die Auffassung der Berufungserwiderung, dass Musik in gesundheitsschädlicher Lautstärke, die eine Kommunikation der Besucher nahezu unmöglich macht, nicht als "gemütlich" angesehen werden kann.
Die Auffassung der Berufung, Live-Musik sei mit der behördlich geforderten Lautstärkenbegrenzung überhaupt nicht möglich, hat keine tragfähige Grundlage.
Nach alledem musste das Rechtsmittel mit den Nebenentscheidungen aus § § 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO zurückgewiesen werden.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO (neuer Fassung) nicht vorliegen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 76.693,78 EUR.
Kaltenbach,
Stein,
Weller