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Kindergarten

Ein privater Kindergarten wurde nachträglich untersagt

                 

Gericht:               LG Hamburg

Datum:                08.08.2005

Aktenzeichen: 325 O 166/99

 

Rechtsgrundlage(n):      

 

§  906 BGB

 

Entscheidungsform:       

 

Urteil

 

Fundstelle(n): ZUR 2006, 193-195 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

 

 

 

-- -- -- -- --

Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 25 erkennt

auf die mündliche Verhandlung vom 16.06.2005

durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin

für Recht:

 

 

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt,

es zu unterlassen, auf dem Grundstück ... einen Kindergarten oder eine Kindertagesstätte zu betreiben.

Die weiter gehende Klage (Klagantrag zu 2.) wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte 86% und die Kläger 14%.

Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe EUR 150,000,--, für den Beklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 600,-- abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

 

Tatbestand

Die Kläger verlangen vom Beklagten die Einstellung seines auf dem gemieteten Grundstück ... betriebenen Kindergartens. Die Kläger zu 1) und 2) sind die Eigentümer des im Osten angrenzenden Grundstücks ... die Kläger zu 3) und 4) sind die Eigentümer des südlich angrenzenden Grundstücks ...

Der 1994 aus einer Elterninitiative heraus gegründete Beklagte wies den Kläger zu 1) mit Schreiben vom 7.6.1994 darauf hin, dass der Kindergarten am 1. Juli 1994 eröffnet werden solle. Der Kläger zu 2) antwortete, dass keine Einwände gegen den Kindergarten neben dem Grundstück der Kläger bestehen (Anl. K 2). Mit Bescheid vom 18.7.1994 (Anl. K4, vgl. auch Anl. K 23) erteilte die Bauprüfabteilung des Bezirksamts Wandsbek gem. §  31 Abs. 2 BauGB die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans ... für den Betrieb eines Kindergartens im reinen Wohngebiet (§  30 Abs. 1 BauGB) mit zwei Gruppen à 20 Kindern der Altersgruppe 3 bis 6 Jahre von montags bis freitags, 8.00 bis 14.00 Uhr. Mit Bescheid vom 19.8.1994 (Anl. K 5) erteilte das Amt für Jugend die Betriebserlaubnis für die Betreuung von bis zu 40 Kindern (10 Kinder ganztags). Mit Bescheid vom 6.3.1995 erweiterte das Amt für Jugend die Betriebserlaubnis für ganztätige Betreuung auf 10 weitere Plätze. Mit Bescheid vom 5.11.1997 genehmigte das Amt für Jugend insgesamt 56 Betreuungsplätze (Anl. B 1).

Der Widerspruch der Kläger gegen die Betriebserlaubnis ist durch Bescheid der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung vom 20.5.1999 zurückgewiesen worden (Anl. K 21). - Der Widerspruch der Kläger vom 28.12.1998 gegen die Nutzungsänderung ist durch Bescheid des Bezirksamts Wandsbek - Widerspruchsausschuss - vom 23.11.1999 zurückgewiesen worden, weil der Widerspruch nicht binnen eines Jahres ab Kenntnisnahmemöglichkeit, also nicht fristgerecht erhoben worden sei (Anl. K 23 - K 27). Die Klage der Kläger ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts vom 20.3.2001 abgewiesen worden (Anl. K 30).

Die Bauprüfabteilung des Bezirksamts Wandsbek erließ unter dem 14.6.1999 eine Anordnung gegen den Beklagten zur Herstellung ordnungsgemäßer Zustände, in der der Beklagte dazu aufgefordert wurde, die Nutzungsdauer des Kindergartens auf den genehmigten Zeitraum montags bis freitags 8.00 bis 14.00 Uhr zu beschränken und die Anzahl der zubetreuenden Kinder auf 40 Kinder zu reduzieren. Der Widerspruch des Beklagten ist durch Bescheid des Bezirksamts Wandsbek - Widerspruchsausschuss - vom 24.11.1999 zurückgewiesen worden (Anl. K 23).

Der Antrag des Beklagten vom 2.9.1999 auf Genehmigung der Erweiterung der Nutzung (montags bis freitags von 14.00 bis 15.00 Uhr für 20 Kinder und montags bis donnerstags von 14.00 bis 17.00 Uhr für 6 Kinder ist durch Bescheid des Bezirksamts Wandsbek - Bauamt - vom 15.10.1999 (Anl. K24) zurückgewiesen worden. Der Widerspruch des Beklagten vom 10.11.1999 (Anl. K 25) ist durch Bescheid des Bezirksamts Wandsbek - Widerspruchsausschuss - vom 31.3.2000 (Anl. K28) zurückgewiesen worden. Seine Klage gegen den Bescheid hat der Beklagte in der öffentlichen Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 20.3.2001 zurückgenommen (vgl. Sitzungsprotokoll Anl. K 29).

Die Kläger tragen vor: Zwei Mitarbeiterinnen des Beklagten hätten im Juni 1994 bei der Klägerin zu 1) geklingelt und erklärt, dass die Errichtung eines Halbtagskindergartens mit bis zu 20 Kindern geplant sei und zwar ausschließlich vormittags. - Sie fühlten sich durch den Lärm der Kinder, die zahlreichen Veranstaltungen, die außerhalb des eigentlichen Kindergartenbetriebes stattfänden und durch das mit dem Bringen und Abholen der Kinder, das in zeitlich unregelmäßigen Abständen stattfinde, verbundene massiv erhöhte Verkehrsaufkommen sehr belästigt.

Die Kläger haben die ursprünglichen Klaganträge zu 4. und 5. im Hinblick auf die abgeschlossenen verwaltungsrechtlichen Verfahren für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigung widersprochen. Die Kläger hatten beantragt,

4.            hilfsweise, eine Nutzung, sei es zum Betrieb eines Kindergartens, sei es für Versammlungen und Feiern jeglicher Art sonnabends und sonntags zu unterlassen, wie auch die Durchführung von Unterhaltungs- und Pflegearbeiten außerhalb des Gebäudes außerhalb der Zeit montags bis freitags von 8.00 bis 17. 00 Uhr;

5.            äußerst hilfsweise, die Nutzung des bebauten Grundstücks zum Betrieb eines Kindergartens mit bis zu 20 Kindern für insgesamt 4 bis 5 Stunden auf die Zeit von 9,00 bis 12.00 Uhr und 15.00 Uhr, jeweils montags bis freitags, zu beschränken, es in jedem Fall zu unterlassen, den Kindergarten in der Zeit zwischen 13,00 und 15.00 Uhr und sonnabends und sonntags zu betreiben.

 

 

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen,

1.            es zu unterlassen, auf dem Grundstück ... einen Kindergarten oder ein Kindertagesheim zu betreiben;

2.            es zu unterlassen, in dem auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und / oder auf dem Grundstück selbst außerhalb des Gebäudes, Versammlungen des Beklagten durchzuführen und/oder es zuzulassen, dass dort Feiern jeglicher Art durchgeführt werden;

3.            hilfsweise, das bebaute Grundstück ... lediglich zum Betrieb eines Kindergartens mit bis zu 20 betreuten Kindern für 4 bis 5 Stunden in der Zeit von 8.00 bis 13,00 Uhr, montags bis freitags zu nutzen;

6.            hilfsweise, durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten, dass Lärmbeeinträchtigungen als Einwirkung auf die Grundstücke der Kläger zu1) bis 4) durch den Betrieb des Kindergartens / der Kindertagesstätte des ... 4) durch den Betrieb des Kindergartens / der Kindertagesstätte des Beklagten beseitigt werden;

7.            hilfsweise, an sie jeweils einen angemessenen Ausgleich in Geld dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der aber zumindest jeweils DM 350.000,- betragen sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Antrags zu zahlen.

8.            festzustellen, dass sich die ursprünglichen Anträge zu 4. und 5. aus der Klage erledigt haben.

 

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Er trägt vor: Bei Gründung des Kindergartens sei den Nachbarn deutlich erklärt worden, dass man zunächst mit einer Gruppe beginnen werde, dass aber der Betrieb mit mindestens 2 Gruppen à 20 Kindern geplant sei. Ab Sommer 2001 würden nur noch 2 Kindergruppen in der Zeit von 8.00 bis 14.00 Uhr betreut. Darüber hinaus sei es dem Kindergarten gestattet, erforderliche Verwaltungsarbeit, Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen und alle weiteren erforderlichen Maßnahmen, soweit sie im Zusammenhang mit dem Betrieb des Kindergartens stünden, auch außerhalb der Zeiten von 8,00 und 14.00 Uhr zu erledigen. Dabei würden die üblichen Gepflogenheiten großstädtisch belegener Grundstücke in Wohngebieten eingehalten.

Es sei richtig, dass lediglich an wenigen Sonnabend-Vormittagen im Jahr notwendige Pflegearbeiten im Garten von den Mitgliedern des Vereins durchgeführt würden. Vereinzelte Reparaturen an den Spielgeräten würden ebenfalls am Samstagvormittag durchgeführt.

Zwei Mal im Jahr werde eine Mitgliederversammlung ebenfalls an einem Abend zwischen Montag und Freitag durchgeführt.

Regelmäßig im Sommer vor den Sommerferien habe der Kindergarten einen Informationsabend für neue Eitern durchzuführen, der in den Räumen des Kindergartens stattfinden müsse. Dies gehöre zu den üblichen Verwaltungsarbeiten.

Zwei Mal im Jahr führten die Eltern einen Bastelabend "Eltern basteln für ihre Kinder" durch. Hierbei würden von Seiten der Eltern für die Kinder Oster- und Weihnachtsbastelarbeiten gefertigt. Diese Veranstaltungen seien regelmäßig um 22.000 Uhr zu Ende und fänden an Abenden zwischen Montag und Freitag im Haus statt.

Einmal im Jahr übernachteten die Kinder im Kindergarten. Am "Oma - und Opa-Tag" würden die Großeltern der Kinder an Werktagen zwischen Montag und Freitag in der Zeit von 15.00 und 17.00 Uhr in den Kindergarten eingeladen.

Der Kindergarten veranstalte einmal im Jahr ein Sommerfest, was regelmäßig an einem Samstag stattfinde.

Inzwischen würden die Mitgliederversammlungen, die sog. Oma - und Opa-Tage, der Muttertag und ähnliche Veranstaltungen auswärts durchgeführt und zwar im ... oder im ... oder im ....

Zu dem detaillierten Vortrag der Kläger sei darauf hinzuweisen, dass am Abend des 3.7.2001 eine von mehreren Theaterproben der Eltern stattgefunden habe, deren Kinder zum Sommer den Kindergarten im Wechsel zur Schule verließen. Es sei Tradition des Beklagten, dass diese Eltern für alle Kinder des Kindergartens ein entsprechendes Theaterstück probten und aufführten. Hierzu seien Theaterproben auch und gerade in den Räumlichkeiten des Kindergartens erforderlich. Die Theateraufführung gehöre zu einem traditionellen und klassischen Element des Jahresablaufs des Kindergartens, nämlich die Verabschiedung der aus dem Kindergarten ausscheidenden Gruppen durch deren Eltern. Am Abend des 5. 7.2001 habe eine Probe stattgefunden. Am 7. 7. 2001 in der Zeit zwischen 14.00 und 17.00 Uhr habe das Sommerfest stattgefunden. Dafür habe am Freitag, dem 6.7. der Aufbau u.a. eines Flohmarktes erfolgen müssen. Zeiten des Auf- und Abbaus hätten sicherlich zu einer entsprechenden zeitlichen Inanspruchnahme geführt. Die Abbauarbeiten seien am Sonntag, dem 8.7.2001 fortgesetzt worden. Am 9. Juli 2001 habe dann der Elternabend für die neu aufgenommenen Kinder stattgefunden. Am 17. Juli 2001 habe der Vorstand im Anschluss an den Betrieb des Kindergartens Vorstellungsgespräche für eine neue Kindergärtnerin durchgeführt. Am Abend habe dann eine weitere Theaterprobe stattgefunden. Am 24. Juli hätten sich die Eltern zum Schultütebasteln getroffen. Am 28. und 30. August hätten weitere Theaterproben, sowie die Vorbereitung für das Abschlussfest stattgefunden. Am 29. und 30. September hätten sich mehrere Familien der Eltern zu einem Großaufräumen im Garten verabredet. Dies finde regelmäßig einmal im Jahr zur herbstlichen Vorbereitung des Gartens statt. Darüber hinaus seien erforderliche Reparaturarbeiten durchgeführt worden. Am Abend des 1. Oktober 2001 habe der Elternabend der Eltern der sog. "Bärchengruppe", am Abend des 2. Oktober 2001 der Elternabend der sog. Elefanten-Gruppe stattgefunden.

Es befänden sich nicht alle Kinder gleichzeitig im Garten. Der Beklagte hat hierzu zunächst vorgetragen (Schriftsatz vom 5.7.2002, Bl. 175 d.A), dass sich am Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag die Kinder im Herbst und Winter maximal von 12.00 bis 13.00 Uhr, im Frühling und Sommer von 11.00 bis 13.00 Uhr im Garten aufhielten. Am Montag seien nur kleinere Gruppen im Garten, weil im Kindergartengebäude Englisch-Unterricht angeboten werde. Am Dienstag verließen alle Kinder um 8.30 Uhr das Haus, um bei einem nahe gelegenen Sportverein Sport zu treiben. Maximal 10 Kinder würden in den Kindergarten gebracht. Die restlichen 30 Kinder gingen direkt zum Sportclub, Die Rückkehr liege bei ca. 12.00 Uhr. Im Herbst und Winter finde danach kein weiterer Aufenthalt im Garten statt. Am Donnerstag reduziere sich die Belastung des Gartens, weil an diesem Tag Vorschule stattfinde. Am Freitag gingen ca. 15 Kinder schwimmen.

Mit Schriftsatz vom 8.9.2003 (Bl. 285 ff d A) hat der Beklagte vorgetragen: Die Kindergartenwoche sei mit festen Terminen strukturiert: Montags werde Englischunterricht in drei Gruppen erteilt, die je eine Unterrichtsstunde erhalten. Im Laufe des Vormittags seien maximal 2/3 der Kinder im Garten. Dienstags sei regelmäßiger Turn-Tag. Die Kinder sammelten sich alle morgens früh und verließen den Kindergarten, um in der Sporthalle des benachbarten ... nahezu den gesamten Vormittag mit Sport- und Bewegungsübungen zu verbringen. Donnerstags vormittags finde für die Kinder im Vorschulalter im Kindergarten der Vorschulunterricht statt. Dieser erstrecke sich über nahezu den gesamten Vormittag und habe im September 2003 18 Kinder beschäftigt, Freitags gehe die Hälfte der anwesenden Kinder zum Schwimmunterricht. Auch hier versammelten sich die Kinder morgens früh und kämen erst zum Mittag wieder in den Kindergarten zurückgekommen. Auch sonst hielten sich die Kinder regelmäßig im Haus auf. Der so genannte Morgenkreis, das Frühstück, Musikübungen, Bastelübungen, Zahnpflege und weitere regelmäßige Beschäftigungen strukturierter) den Kindergartentag, so dass immer größere Gruppen auch im Haus seien. Man dürfe davon ausgehen, dass sich di *Kinder maximal 60 bis 90 Minuten im Laufe eines Vormittags durchgehend im Außenbereich aufhielten (Beweis: Zeugin ...)

Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 8.2.2002 der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Das Gericht hat gem. den Beschlüssen vom 19.6.2002 (Bl. 170 d.A.), vom 17.11.2004 (Bl. 414 d.A.) sowie der Verfügung vom 7.2.2003 (Bl. 226 d.A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Vorgutachten des Sachverständigen Keßler vom 20.12.2002 (Bl. 204 ff. d.A.), das Gutachten vom 8.8.2003 (Bl. 245 ff. d.A.), die ergänzende Stellungnahme vom 9.12.2003 (Bl. 315 ff. d.A.), das Ergänzungsgutachten vom 20.1.2005 (Bl. 425 ff. d.A.) sowie die mündlichen Anhörungen vom 30.8.2004 (Sitzungsniederschrift Bl, 374 ff. d.A.) und vom 16.6.2005 (Sitzungsniederschrift Bl. 447 d.A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet (Klagantrag zu 1). Der Klagantrag zu 2) ist abzuweisen.

I.

Die Kläger haben gegen den Beklagten entsprechend dem Klagantrag zu 1. aus §  906 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Unterlassung des Betriebs des Kindergartens in der gegenwärtigen Form.

Der Anspruch der Kläger ist begründet, weil der Beklagte nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen hat, dass die Grundstücke der Kläger nicht oder nur unwesentlich durch den Betrieb des Kindergartens beeinträchtigt werden. Nach §  906 Abs. 1 BGB kann eine von einem Grundstück ausgehende Einwirkung, wie z.B. ein Geräusch, dann nicht verboten werden, wenn sie unwesentlich ist. Dass der von den Klägern beanstandete Kinderlärm von dem Kindergarten ausgeht; der vom Beklagten auf dem Nachbargrundstück betrieben wird, hat der Beklagte nicht bestritten.

1.

Dass der vom Kindergarten ausgehende Lärm schon deshalb als unwesentlich anzusehen ist, weil er die zulässigen Richtwerte nach der TA-Lärm nicht überschreitet, hat der Beklagte nicht bewiesen. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt gem. §  906 Abs. 1 S. 2 BGB in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte nicht überschritten werden. Nach Ziff. 6.1 der TA-Lärm liegt der zulässige Immissionsrichtwert im reinen Wohngebiet bei 50 dB(A). Es ist allerdings nicht ganz unumstritten, ob die TA-Lärm nicht nur auf technische Anlagen, sondern auch auf Lärmbeeinträchtigungen anderer Art anzuwenden ist, bei denen es auch auf das Maß der empfundenen Lästigkeit der Lärmbeeinträchtigung ankommt (ablehnend MünchKomm-Säcker, BGB, 4. Aufl., §  906 Rn. 43, 51; OVG Nordrhein-Westfalen, BauR 1995, 66,68). Nach Ansicht des Gericht erscheint es aber gerechtfertigt, die TA-Lärm heranzuziehen, weil sie einen gewissen Anhaltspunkt für die Beurteilung des Grades der Beeinträchtigung geben kann (vgl. auch Soergel-Baur, BGB, 12. Aufl., §  906 Rn. 49; OVG Koblenz. OLGR Koblenz 2003,417- WuM 2003, 573). Der in der TA-Lärm festgelegte Wert von 50 dB(A) kann auch bei der Beurteilung des vom Kindergarten ausgehenden Lärms herangezogen werden, wie der Sachverständige in seinem Vorgutachten auf S. 3, Bl. 206 d.A. ausgeführt hat (vgl. auch BGH NJW 1993, 1656,1657).

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Vorgutachten (S. 5, Bl. 208 d.A.) ist eine Differenzierung zwischen dem von der stark befahrenen, in unmittelbarer Nähe liegenden Rennbahnstraße ausgehenden Verkehrslärm und dem vom Kindergarten ausgehenden Verkehrslärm messtechnisch nicht möglich ist. Die Immissionswerte nach der TA-Lärm sind Beurteilungspegel, die sich aus sog. Mittelungspegeln und Zuschlägen für Impulshaltigkeit oder Informationshaltigkeit ergeben. Der Mittelungspegel ist ein äquivalenter Dauerschallpegel, der die zeitliche Einwirkung des Geräuschs mit berücksichtigt (vgl. dazu auch Soergel-Baur, BGB, 12. Aufl., §  906 Rn. 41). Der Mittelungspegel ist nach den Ausführungen des Sachverständigen im Regelfall deutlich niedriger als der schwankende Spitzenschallpegel, der den zulässigen Beurteilungspegel im reinen Wohngebiet am Tag bis um 30 dB(A) überschreiten darf. Auf messtechnischem Wege kann jedoch, wie der Sachverständige im Vorgutachten ausgeführt hat, im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, ob vom Kindergarten möglicherweise ein Pegel ausgeht, der unter 50 dB(A) liegt.

Auch die Auswertung der Messungen, die zur Beurteilung der Frage, ob die vom Kindergarten ausgehenden Spitzenschallpegel unter den zulässigen 80 dB(A) liegen, vom Sachverständigen am 25.6.2003 von 9.05 bis 11.50 Uhr durchgeführt worden sind, ermöglicht es dem Gericht nicht, den Pegel des vom Kindergarten ausgehenden Lärms zu ermitteln. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.1.2005 für die Zeiten, in denen sich ca. 10 bis 15 Kinder im Freien aufgehalten haben (9.05 bis 9.35 Uhr und 11.30 bis 11.50 Uhr) einen Teilbeurteilungspegel von 66,7 dB(A) bzw. 67,9 dB(A), für die restliche Zeit, in der sich die Kinder im Haus befanden, einen Pegel von 58,5 dB(A) und für die gesamte Messzeit einen Pegel von 63 dB(A) ermittelt. Die Pegel für die Zeiträume, in denen die Kinder draußen gespielt haben, unterscheiden sich von den übrigen Pegeln nicht in einem Umfang, der - auch unter Heranziehung der Grundsätze des §  287 ZPO - Rückschlüsse auf die Verursachungsanteile des Straßenverkehrs und des Kindergartens zulässt. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Ursachenanteil des Straßenverkehrs höher ist als der des Kindergartens bzw. dass der vom Kindergarten herrührende Pegel unter den zulässigen 50 dB(A) liegt. Die Unaufklärbarkeit geht nach Ansicht des Gerichts zu Lasten des Beklagten (vgl. Staudinger (2002) Roth. BGB, §  906 Rn. 201; zur Beweisest bei sog. Summierten Immissionen: Staudinger, a.a.O., Rn. 280; Soergel, a.a.O., Rn. 127, 128).

2.

Auch wenn der Beklagte die Einhaltung der sich aus der TA-Lärm ergebenden Immissionsrichtwerte nicht nachgewiesen hat, so ergibt sich daraus noch nicht zwangsläufig-, dass die vom Kindergarten ausgehenden Beeinträchtigungen im Sinne von §  906 Abs. 1 S. 1 BGB unwesentlich sind. Grundsätzlich bietet das Messverfahren nur einen Anhaltspunkt, der Tatrichter hat bei der Beurteilung seine eigenen Empfindungen zu Grunde zu legen (vgl. Staudinger, a.a.O. Rn. 193; MünchKomm, a.a.O., Rn. 43; BGH NJW1993,1656 1658; BverwG BauR 1989,172). Ausschlaggebende Komponenten für das Maß und die Eigenart der Empfindung und der dadurch bestimmten Lästigkeit des Geräuschs sind die Frequenzen, die Regelmäßigkeit oder Unregelmäßigkeit, ein besonderer Impulscharakter, die Einwirkungsdauer und die Eigenart des Geräuschs (vgl. Staudinger, a.a.O., Rn, 193). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der von Kinderspielplätzen und Kindergärten ausgehende Lärm unter einem besonderen Toleranzgebot steht (vgl. Staudinger, a.a.O. v Rn,162; MünchKomm, a.a.O., Rn, 52). Dem hat auch das OLG Celle zugestimmt, hat aber zu bedenken gegeben, ob das noch so verständliche kindliche Verhalten auf Dauer wenigen Bürgern als Sonderopfer zugemutet werden kann (MDR 1997, 1023, 1024).

Das Gericht hat für die Beurteilung des Grades der Beeinträchtigung wiederum die Ausführungen des Sachverständigen heranzuziehen. Das Gericht hat von einer Augenscheinseinnahme abgesehen, weil diese schon im Hinblick auf das Alter der Kinder nicht zu einem zuverlässigen Eindruck geführt hätte. Bei den im Kindergarten betreuten Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren hätte allein durch die Anwesenheit des Gerichts und ggf. auch der Prozessbevollmächtigten eine - letztlich für die Beurteilung erforderliche - unbefangene Spielsituation im Garten nicht mehr bestanden (vgl. zum Problem der Augenscheinseinnahme Staudinger, a.a.O., Rn. 204; OLG Celle MDR 1997, 1023, 1024).

Das Gericht vermag - auch unter Berücksichtigung der von allen Bürgern zu verlangenden Toleranz gegenüber Kindergärten und dem damit verbundenen Lärm - nicht von einer gegenüber dem ohnehin schon vorhandenen Straßenlärm unwesentlichen Beeinträchtigung der Kläger durch die vom Kindergarten ausgehenden Belästigungen auszugehen (vgl. zu Lärmkonkurrenzen Staudinger, a.a.O., Rn. 194), Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.1.2005 auf S. 7 (BL 431 d.A.) nachvollziehbar erläutert, dass der Straßenverkehr einen gleichmäßigen Geräuschpegel verursacht, während die durch das Spielen der Kinder hervorgerufenen Geräusche eher Spitzenschallpegel darstellten, die aus dem allgemeinen Verkehrslärm deutlich herausragten. Darauf deuten auch die Messprotokolle in der Zeit von 9,05 bis 9.07 Uhr, 11.34 bis 11,39 Uhr und 11.44 bis 11,49 Uhr (Anl. 4, 7, 8 zum Gutachten vom 8,8.2003, BL 267, 270, 271 d.A,) hin, aus denen sich die auf die Kinderstimmen zurückzuführenden Schallspitzen ergeben. Der Sachverständige hatte schon in seinem Vorgutachten auf S. 7 (BT 210 d.A.) auf die Informationshaltigkeit der Geräusche durch Kinderstimmen oder durch andere Geräusche, die die Kinder als Spitzenschallpegel verursachen, hingewiesen. Diese Geräusche seien deutlich wahrnehmbar, auch wenn sie möglicherweise unter 60 dB(A) liegen. Auch das BverwG hat darauf hingewiesen, dass z.B. Lärm mit einem relativ niedrigen und gleichmäßigen Grundgeräusch zu einer erheblichen und damit unzumutbaren Geräuschbelästigung werden kann, wenn besonders hohe Einzelgeräusche herausragen (BauR 1989,172), Hinzu kommt hier, dass laute Kinderstimmen im Verhältnis zu Erwachsenenstimmen eine deutlich höhere Frequenz haben und deshalb als deutlich lästiger empfunden werden. Vor diesem Hintergrund ist nach Ansicht des Gerichts eine erhebliche Beeinträchtigung der Kläger schon dann anzunehmen, wenn sich die Kinder - was der Beklagte einräumt - täglich ca. 60 bis 90 Minuten im Garten auf- halten.

Hinzukommen die vom Beklagten selbst geschilderten nicht seltenen Aktivitäten auf dem Grundstück außerhalb der eigentlichen Kindergartenzeiten, wobei auch das durch das Bringen und Abholen der Kinder erhöhte Verkehrsaufkommen insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei der Straße um eine Sackgasse (Wendehammer) handelt, nicht außer Acht gelassen werden kann (vgl. OVG Nordrhein Westfalen, BauR 1995, 66, 67).

Das Gericht vermag nach Abwägung aller in Betracht kommenden Aspekte eine unwesentliche Beeinträchtigung nicht anzunehmen. Die Beweislast für die Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung liegt beim Beklagten (vgl. Staudinger a.a.O., Rn, 202; Soergel-Baur, a.a.O. Rn. 131,132).

3.

Die Kläger haben die wesentliche Beeinträchtigung durch den Kindergarten auch nicht gem. §  906 Abs. 2 S. 1 BGB zu dulden, was unter den Voraussetzungen des §  906 Abs. 2 S. 2 zu einem von den Klägern hilfsweise auch geltend gemachten Schadenersatzanspruch gegen den Beklagten führen könnte. Eine Duldungspflicht besteht nicht, weil der Beklagte, der auch insoweit die Beweislast trägt, nicht substantiiert dargelegt hat, dass die Nutzung des Grundstücks als Kindergarten ortsüblich ist. Entscheidend ist insoweit, ob eine Mehrheit von Grundstücken in der Umgebung mit einer nach Art und Ausmaß einigermaßen gleich bleibend Staudinger, a.a.O.,Rn.208 und MünchKomm, a.a.O.,Rn.89). Das hat der Beklagte nicht spezifiziert vorgetragen.

Im Übrigen hat das OVG Hamburg in seinem Beschluss vom 20.11.1995 (Az.: Bs II326/95, Bl. 153,155 d.A.) entschieden, dass die Nutzung eines Grundstücks für einen Kindergarten im reinen Wohngebiet nicht mit der Baunutzungsverordnung vereinbar ist und dass für eine Befreiung nach §  31 Abs. 2 Nr. 1 BBauG nur dann ein Raum sein dürfte, wenn das Grundstück besondere Merkmale aufweist, die es rechtfertigen könnten, gerade dort im Wege einer Befreiung von den planerischen Festsetzungen abzuweichen (vgl. auch die Begründung der Widerspruchsbescheide vom 24.11.1999 auf S. 5, Anl. K23, und vom 31.1.2000 auf S. 5, Anl. K 28).

4.

Dass der Betrieb des Kindergartens in der heutigen Form durch die Bescheide des Amts für Jugend und des Bauamts genehmigt worden ist, steht dem Anspruch der Kläger nicht entgegen (vgl. Erman-Lorenz, BGB, 11. Aufl., §  906 Rn. 29; BGH NJW 1999, 356 und NJW 1995,132).

II.

Der Klagantrag zu 2. ist unbegründet. Da dem Klagantrag zu 1. stattgegeben wird, besteht auf ein gesondertes Verbot entsprechend dem Klagantrag zu 2) kein Anspruch mehr. Die Kläger haben nicht schlüssig dargelegt, dass von eventuellen Veranstaltungen, die nach Einstellung des Betriebs des Kindergartens auf dem vom Beklagten gemieteten Grundstück oder im Gebäude (Versammlungen oder Feiern) stattfinden, eins unzumutbare Beeinträchtigung i.S. von §  906 Abs. 1 BGB ausgehen würde.

III.

Einer Entscheidung, ob sich die ursprünglichen Klaganträgen zu 4. und 5. erledigt haben, bedarf es nicht. Der insoweit von den Klägern gestellte Festsstellungsantrag zu 8. ist dahin zu verstehen, dass er - wie auch die ursprünglichen Klaganträge zu 4. und 5. - nur hilfsweise gestellt werden solle. Da dem Hauptantrag zu 1. stattgegeben worden ist, ist für eine Entscheidung über die Hilfsanträge zu 3., 6., 7. und auch den Hilfs-Feststellungsantrag zu 8. kein Raum mehr.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §  92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § §  708 Ziff. 11, 709. 711 ZPO.

 

Verkündet am: 6.8.2005

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